Meine Brüder, woher kommt wohl unser Mangel an Vertrauen? Liegt es vielleicht an unserer Unwürdigkeit? Aber der gute Gott weiß doch genau, dass wir Sünder und schuldig sind, dass wir in allem auf seine unendliche Güte vertrauen und in seinem Namen beten. Wird unsere Unwürdigkeit nicht durch seine Verdienste zugedeckt und gleichsam unsichtbar? Oder liegt es etwa daran, dass unsere Sünden zu schrecklich oder zu zahlreich wären? Aber ist es für ihn nicht ebenso leicht, uns tausend Sünden zu vergeben wie eine einzige? Gab er nicht vor allem für die Sünder sein Leben dahin? Hört, was der heilige König und Prophet uns sagt: „Wer hat ihn angerufen, und wäre von ihm missachtet worden?“ (Eccl. 2, 12 Vulg.) „Ja“, sagt er uns, „alle, die den Herrn anrufen und ihre Zuflucht zu ihm nehmen, haben die Wirkung seiner Barmherzigkeit erfahren.“ […]
Betrachtet den Zöllner, der sich seiner Schuld bewusst ist und in den Tempel geht, um den Herrn um Vergebung zu bitten. Jesus Christus selbst sagt uns, dass ihm seine Sünden vergeben wurden. Betrachtet die Sünderin, die Jesus Christus zu Füßen liegt und ihn unter Tränen anfleht. Sagt Jesus Christus nicht zu ihr: „Deine Sünden sind dir vergeben“ (Lk 7,48)? Der gute Schächer betet am Kreuz, obwohl er mit den schlimmsten Verbrechen belastet ist: Jesus Christus vergibt ihm nicht nur, sondern verspricht ihm sogar, dass er noch am selben Tag mit ihm im Himmel sein wird. Ja, meine Brüder, wenn ihr all jene aufzählen müsstet, die durch das Gebet Vergebung erlangt haben, müsstet ihr alle Heiligen nennen, die Sünder waren; denn nur durch das Gebet hatten sie das Glück, sich mit dem guten Gott zu versöhnen, der sich von ihren Gebeten berühren ließ.
Quelle: Evangelizo