Tagesevangelium

Origenes

„Herr, tu mir mein Ende kund und die Zahl meiner Tage, damit ich weiß, was mir fehlt!“ (Ps 38(39),5 LXX). „Wenn du mir mein Ende kundtust und die Zahl meiner Tage”, sagt der Psalmist, „dann kann ich erkennen, was mir fehlt.“ Vielleicht möchte der Psalmist mit diesen Worten Folgendes andeuten: Jedes Gewerbe verfolgt ein bestimmtes Ziel. So ist es zum Beispiel das Ziel eines Bauunternehmens, ein Haus zu bauen; das Ziel einer Werft, ein Schiff zu bauen, das den Wogen des Meeres trotzt und der Wucht der Winde standhält; und das Ziel eines jeden Handwerks ist eben etwas, wozu das Handwerk offensichtlich erfunden worden ist. So gibt es wohl auch ein bestimmtes Ziel für unser Leben und für die ganze Welt, um dessentwillen alles in unserem Leben geschieht bzw. die Welt geschaffen worden ist und fortbesteht. An dieses Ziel denkt auch der Apostel Paulus, wenn er sagt: „Danach kommt das Ende, wenn er […] seine Herrschaft Gott dem Vater übergibt“ (1 Kor 15,24). Diesem Ziel müssen wir entgegeneilen, denn es ist der Preis, um dessentwillen wir von Gott geschaffen worden sind.

So wie unser Körper, der am Anfang, bei seiner Geburt, klein und schwach ist, wächst und mit zunehmendem Alter seine volle Größe erreicht, und so wie unser Geist […] sich zunächst stammelnd äußert, dann immer klarer wird, um schließlich zu einer vollkommenen und korrekten Ausdrucksweise zu gelangen, so beginnt auch unser ganzes Leben hienieden gleichsam stammelnd unter den Menschen auf Erden, doch es erreicht seine höchste Vollendung im Himmel bei Gott . Aus diesem Grund also will der Prophet das Ziel kennen, für das er geschaffen wurde, damit er, indem er auf das Ziel blickt, seine Tage überprüft und seine Vervollkommnung abwägt, erkennt, was ihm im Hinblick auf dieses Ziel, das er anstrebt, noch fehlt. […] Es ist, als würden jene, die aus Ägypten ausgezogen sind, sagen: „Herr, tu mir mein Ziel kund” – nämlich ein gutes und heiliges Land – „und die Zahl meiner Tage”, die ich noch zu durchwandern habe, „damit ich weiß, was mir fehlt”: was mir [zu meiner Vervollkommnung] noch [zu tun] bleibt, bis ich das heilige Land erreiche, das mir verheißen ist.

Quelle: Evangelizo

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