Tagesevangelium

Johannes Tauler

    Unser Herr ging in den Tempel, trieb alle, die kauften und verkauften, hinaus und sprach: „Mein Haus soll ein Haus des Gebetes sein. Ihr aber habt daraus eine Räuberhöhle gemacht.“ Was ist das für ein Tempel, der zur Räuberhöhle geworden ist? Die Seele und der Leib des Menschen! Sie sind viel eigentlicher Tempel Gottes als alle jemals erbauten Tempel (vgl. 1Kor 3,17; 6,19). Wenn unser Herr in diesen Tempel kommen will, findet er ihn in eine Räuberhöhle, in einen Händlerbasar verwandelt. Was sind Händler? Das sind Leute, die das, was sie haben – ihren freien Willen –, hergeben für etwas, was sie nicht haben: die Dinge dieser Welt. Die ganze Welt ist voll von solchen Händlern. Es gibt sie unter Priestern und Laien, unter Ordensleuten, Mönchen und Nonnen. […] So viele Menschen, die voll sind von ihrem eigenen Willen […]; so viele, die in allem ihren Vorteil suchen. Wenn sie doch nur einen Handel mit Gott machen und ihm ihren Willen hingeben wollten: Welch glänzendes Geschäft würden sie machen! In allem, was der Mensch tut, muss er Gott wollen, ihm nachjagen, ihn suchen. Und wenn er das alles getan hat – beim Trinken, Schlafen, Essen, Sprechen, Zuhören –, dann soll er die Bilder, die er von den Dingen hat, löschen und alles daran setzen, dass sein Tempel zuletzt leer ist. Wenn der Tempel leer ist, wenn du die Horde von Verkäufern – nämlich die Bilder, mit denen du vollgestopft bist – vertrieben hast, dann kannst du ein Haus Gottes sein (vgl. Eph 2,19). Dann werden Friede und Freude in deinem Herzen herrschen, und nichts kann dich mehr verwirren, nichts von dem, was dich jetzt beunruhigt, niederdrückt und schmerzt.

Quelle: Evangelizo

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