Tagesevangelium

Hl. Gregor der Große

„Wenn er die Wasser loslässt, so wird die Erde umgewälzt“ (Ijob 12,15 Vulg.). Was soll die Erde wohl anderes darstellen als den Sünder, über den das Urteil gefällt wurde: „Staub [vom Erdboden] bist du und zum Staub kehrst du zurück“ (Gen 3,19)? Die Erde bleibt also regungslos, wenn der Sünder sich weigert, den Geboten des Herrn zu gehorchen, wenn er seinen stolzen Nacken aufreckt und die Augen seiner Seele vor dem Licht der Wahrheit verschließt. Doch es steht geschrieben: „Er stellte sich hin, und die Erde wurde erschüttert“ (vgl. Hab 3,6). Denn wenn sich die Wahrheit in einem Herzen niederlässt, gerät die Erstarrung der Seele ins Wanken; und wenn die Gnade des Heiligen Geistes, eine Gabe von oben, durch das Wort des Predigers in sie einströmt, wird die Erde erschüttert. Denn die in der Sünde verhärtete Seele verliert dann ihre hartnäckige Starrheit und wird so sehr verwandelt, dass sie sich unter Tränen den Geboten des Herrn unterwirft, so wie sie am Tag zuvor noch in ihrem Stolz den Nacken ihres Herzens vor dem Herrn aufgereckt hatte. Man schaue sich nur einmal die Erde eines Menschenherzens an, die vom Wasser der Gnade getränkt wurde: Sie erträgt nun ohne Unmut die Beleidigungen, die sie gestern noch anderen unerbittlich zugefügt hat. Jetzt verteilt sie ihre eigenen Güter, kasteit ihr Fleisch durch Enthaltsamkeit. Sie, die gestern, mit Fleisch gesättigt, sich den tödlichen Reizen der Schändlichkeit hingab, schätzt nun sogar jene, die sie liebten.

Wenn also die göttliche Gabe in eine menschliche Seele ausgegossen wurde und diese nun anders handelt als zuvor, dann wurde die Erde umgewälzt: Nach unten wurde geworfen, was gestern noch hervorragte, und nach oben erhob sich das Gesicht, das gestern noch in der Tiefe versunken war.

Quelle: Evangelizo

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