Tagesevangelium

Hl. Teresa von Avila

Hätte ich damals in der gleichen Tiefe wie heute erkannt, dass in diesem kleinen Palast meiner Seele ein so großer König wohnt, hätte ich ihn meiner Meinung nach nicht so häufig allein gelassen, sondern wäre öfter bei ihm geblieben, und ich hätte mich mehr darum gesorgt, dass meine Seele nicht so schmutzig sei. Wie wunderbar: Er, der tausend Welten und noch viel mehr mit seiner Größe erfüllen könnte, schließt sich in eine so kleine Wohnung ein! Wahrhaftig, da er der Herr ist, hat er alle Freiheit, und da er uns liebt, passt er sich unserem Maß an.

Einer Seele, die am Anfang steht, gibt er sich nicht gleich zu erkennen, damit sie nicht in Unruhe gerät, wenn sie sieht, wie klein sie ist und welch Großes sie in sich beherbergen darf. Nach und nach weitet er sie, damit sie aufnehmen kann, was er in sie hineinlegen will. Darum sage ich, er hat alle Freiheit, denn er vermag diesen Palast zu vergrößern. Entscheidend ist, dass wir uns ihm mit aller Entschlossenheit zu eigen geben und aus unserer Seele alle Hindernisse wegräumen, damit er hineinlegen und herausnehmen kann, was er will, und über sie verfüge wie über sein Eigentum. Seine Majestät hat das Recht dazu, verweigern wir es ihm nicht! Und da er unserem Willen keine Gewalt antun will, nimmt er nur, was wir ihm geben; aber er schenkt sich uns erst ganz, wenn wir uns ihm ganz schenken.

Dies ist gewiss; und weil es so wichtig ist, erinnere ich euch oft daran. Geben wir uns ihm nicht ganz hin, dann wirkt er nicht so in der Seele, wie er es tun würde, wenn sie frei von Hindernissen wäre und ganz ihm gehörte; ich weiß auch nicht, wie er anders handeln könnte, da er ein Freund aller Ordnung ist. Wenn wir den Palast mit Gesindel und mit Plunder füllen, wie soll dann der Herr mit seinem Gefolge noch Platz darin finden? Er tut schon sehr viel, wenn er auch nur einen kurzen Augenblick in so großer Unordnung verweilt.

Quelle: Evangelizo

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