Die Menschwerdung hat ihren Ursprung in der Güte Gottes … Aber etwas scheint zuerst auf, so wunderbar, so leuchtend, so erstaunlich, dass es wie ein blendendes Zeichen erstrahlt: die unendliche Demut, die ein solches Geheimnis enthält … Gott, das Sein, der Unendliche, der Vollkommene, der Schöpfer, der Allmächtige, der unermessliche und souveräne Herrscher über alles, der Mensch wird, sich mit einer menschlichen Seele und einem menschlichen Leib vereint und auf der Erde als ein Mensch erscheint, als der letzte der Menschen ... […]
Die Wertschätzung der Welt, was bedeutet sie? Ist es angemessen für Gott, sie zu suchen? Da er die Welt von den Höhen der Gottheit aus betrachtet, ist in Seinen Augen alles gleich: das Große, das Kleine – alles ist gleichermaßen Ameise und Regenwurm … All diese falschen Größen verachtend, die in Wahrheit von äußerster Kleinheit sind, hat Gott Sich nicht damit bekleiden wollen … Und da Er auf die Erde kam, sowohl um uns zu erlösen als auch um uns zu lehren, um erkannt und geliebt zu werden, hat Er Wert darauf gelegt, uns – angefangen von Seinem Eintritt in diese Welt und während Seines ganzen Lebens – diese Lektion der Verachtung menschlicher Größenordnung sowie der vollständigen Loslösung von der Wertschätzung der Menschen zu erteilen …
Er wurde geboren, er hat gelebt, er ist in tiefster Erniedrigung und äußerster Schmach gestorben und nahm so ein für alle Mal den letzten Platz ein, so sehr, dass niemand je einen noch tieferen einnehmen konnte … Und wenn Er diesen letzten Platz mit solcher Beharrlichkeit, solcher Sorgfalt eingenommen hat, dann deshalb, um uns zu lehren, dass menschliche Ehre und die Wertschätzung der Menschen nichts sind, keinen Wert haben; […] um uns zu lehren, dass wir, da unsere Bürgerschaft nicht von dieser Welt ist (vgl. Phil 3,20), auch keinen Wert auf die äußere Gestalt dieser Welt legen sollen, sondern nur für jenes Himmelreich leben, das der Gottmensch hier auf Erden durch die selige Schau [visio beatifica] sah, und das wir mit den Augen des Glaubens ohne Unterlass im Blick haben sollen, während wir in dieser Welt wandeln, aber nicht von dieser Welt sind, ohne Sorge um äußere Dinge, nur mit einer Sache beschäftigt: unseren himmlischen Vater zu betrachten, zu lieben und Seinen Willen zu tun …
Quelle: Evangelizo