Tagesevangelium

Hl. Clemens von Alexandrien

Der junge Mann spürt sehr wohl: Wenn es ihm auch nicht an Tugendhaftigkeit fehlt, so fehlt ihm doch das Leben. Deshalb kommt er, um es von dem zu erbitten, der allein es geben kann. Er ist sich sicher, dass er die Vorschriften des Gesetzes befolgt, und doch bittet er den Sohn Gottes um Hilfe. Er geht „von Glauben zu Glauben“ (vgl. Röm 1,17) über. Da sein Lebensschiff – nur von den Tauen des Gesetzes gehalten – unsicher schwankt, verlässt er besorgt diesen unsicheren Ankerplatz und wirft den Anker im Hafen des Erlösers.

Jesus wirft ihm nun nicht etwa vor, gegen irgendeinen Gesetzesartikel verstoßen zu haben, sondern er gewinnt ihn lieb, angerührt vom Eifer dieses guten Schülers (vgl. Mk 10,21). Und doch erklärt er ihn für noch unvollkommenen […]: Er ist ein guter „Täter des Gesetzes“ (vgl. Jak 4,11), aber zu träge für das ewige Leben. Die Gebote zu halten ist zweifellos gut; „das heilige Gesetz“ ist wie ein Erzieher (vgl. Röm 7,12; Gal 3,24), der durch Furcht in Zucht hält und bis zu einer Art Vorbereitung auf die erhabenste, durch Christus vermittelte Gesetzgebung und Gnade gelangt. „Denn Ziel des Gesetzes ist Christus, zur Gerechtigkeit für jeden, der glaubt“ (Röm 10,4). Christus ist kein Sklave, der zu Sklaven macht, sondern er macht jeden, der den Willen des Vaters tut, zu Söhnen, Brüdern und Miterben (vgl. Röm 8,17; Mt 12,50). […]

Das Wort „wenn du … willst“ weist eindrucksvoll auf den freien Willen des Jünglings hin: Er hat die Möglichkeit, zu wählen, da er frei ist; Gott aber hat die Möglichkeit zu geben, da er der Herr ist. Er gibt aber allen, die diese Gabe wünschen, sich eifrig darum bemühen und um sie bitten, damit so das Heil von ihrer eigenen Wahl abhängt. Denn Gott, der ein Feind der Gewalt ist, zwingt nicht, sondern gibt denen, die suchen, schenkt denen, die bitten, und öffnet denen, die anklopfen (vgl. Mt 7,7).

Quelle: Evangelizo

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