Die Seele fragt den Bräutigam: „Wo hältst du dich verborgen?“ [...] Zeigen wir ihr doch als Antwort genau den Ort, wo er sich verbirgt, den Ort, wo sie ihn mit Gewissheit findet, auf so vollkommene und behutsame Weise, wie es in diesem Leben nur möglich ist. Von da an wird sie nicht mehr vergeblich auf den Spuren der Fremden umherirren (vgl.<!--more--> Hld 3,2).
Eines müssen wir wissen: Das [göttliche] Wort, der Sohn Gottes, wohnt gemeinsam mit dem Vater und dem Heiligen Geist wesenhaft und gegenwärtig im Grunde der Seele und ist dort verborgen. Die Seele, die ihn finden möchte, muss sich also […] von allem Geschöpflichen trennen; sie muss in sich selbst eintreten und dort in so tiefer Sammlung verharren, dass alle Geschöpfe für sie sind, als wären sie nicht. „Herr“ – so wandte sich der hl. Augustinus in seinen Selbstgesprächen an Gott – „ich fand dich nicht außerhalb von mir, denn ich suchte dich auf falsche Weise: Ich suchte dich außerhalb, und du warst in mir.“ Gott ist also in unserer Seele verborgen, und dort muss der wahre kontemplative Mensch ihn suchen und fragen: „Wo hast du dich verborgen?“
Nun denn, o Seele, du schönstes aller Geschöpfe Gottes, die du sehnlichst zu wissen verlangst, wo dein Geliebter ist, damit du ihn finden und eins werden kannst mit ihm. Siehe, du wirst es sogleich erfahren: Du selbst bist die Wohnung, in der er weilt, der Ruheplatz, wo er sich verbirgt. Welche Freude, welcher Trost für dich! Dein Schatz, dem all deine Hoffnung gilt, ist dir so nahe! Er ist in dir, ja, ohne ihn könntest du gar nicht existieren! Höre, wie der Bräutigam selbst es dir sagt: „Das Reich Gottes ist in eurem Innern“ (vgl. Lk 17,21). Und sein Diener, der hl. Apostel Paulus, sagt uns seinerseits: „Ihr seid der Tempel Gottes“ (2 Kor 6,16).
Quelle: Evangelizo