Das Gewissen ist wie der innerste und geheimste Kern des Menschen. Dorthin zieht er sich mit seinen geistlichen Kräften in völliger Einsamkeit zurück: allein mit sich selbst, oder besser gesagt, nur mit Gott, dessen Stimme dort von der Vernunft vernommen wird, und mit sich selbst. An diesem Ort entscheidet er sich für das Gute oder für das Böse; hier schlägt er den Weg zum Sieg oder den Weg zur Niederlage ein. Selbst wenn er wollte, würde der Mensch sich seines Gewissens nicht entledigen können; mit ihm wird er – sei es billigend oder verurteilend – seinen ganzen Lebensweg zurücklegen müssen, um dann auch mit ihm als wahrhaftigem und unbestechlichem Zeugen vor dem Gericht Gottes zu erscheinen.
Das Gewissen ist also – um ein ebenso altes wie ehrwürdiges Bild zu gebrauchen – ein Heiligtum, an dessen Schwelle alle stehenbleiben müssen, selbst der Vater und die Mutter, wenn es sich um ein Kind handelt. Nur der Priester tritt als Hüter der Seelen und als Diener des Bußsakramentes ein; doch hört das Gewissen deshalb nicht auf, ein streng gehütetes Heiligtum zu sein, dessen Geheimhaltung Gott selbst unter dem Siegel heiligster Verschwiegenheit bewahren will. In welchem Sinn kann man also von der Gewissensbildung sprechen? […] Der göttliche Erlöser hat dem unwissenden und schwachen Menschen seine Wahrheit und seine Gnade gebracht: die Wahrheit, um ihm den Weg zu zeigen, der zu seinem Ziel führt; die Gnade, um ihm die Kraft zu verleihen, dieses Ziel erreichen zu können. […] Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, nicht nur für die gesamte Menschheit, sondern für jeden einzelnen Menschen.
Quelle: Evangelizo