„Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen“ (Mt 1,19). Weil er gerecht war, wollte er sie nicht bloßstellen. Er wäre nicht gerecht gewesen, wenn er sie für schuldig gehalten und sich zu ihrem Komplizen gemacht hätte; aber auch nicht, wenn er ihre Unschuld erkannt, sie aber verurteilt hätte. Deshalb fasste er den Entschluss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. Aber warum sich von ihr trennen? […] Aus dem gleichen Grund, so sagen die Väter, der Petrus dazu veranlasste, den Herrn mit den Worten von sich zu weisen: „Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder“ (Lk 5,8). Ebenso verhielt sich der Hauptmann, als er ihm sein Haus verwehrte: „Ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst“ (Mt 8,8).
Josef, der sich selbst für einen Sünder hielt, glaubte, er sei unwürdig, eine Frau dauerhaft in sein Haus aufzunehmen, deren Vortrefflichkeit und Erhabenheit ihm Verehrung und Scheu einflößten. Er sah, dass sie das über jeden Zweifel erhabene Zeichen der Gegenwart Gottes in sich trug; und unfähig, dieses Geheimnis zu ergründen, wollte er sie entlassen. Der heilige Petrus hatte Furcht vor der Allmacht Gottes; der Hauptmann erschrak vor der Würde, die Christus ausstrahlte. Josef wurde als Mann, der er war, von Schrecken erfasst angesichts eines so neuartigen Wunders und undurchdringlichen Mysteriums. Daher erwog er, sich in aller Stille von Maria zu trennen. Wundert euch nicht, dass Josef sich für unwürdig hielt, an der Seite der schwangeren Jungfrau zu leben; auch die heilige Elisabet konnte Marias Gegenwart nicht ertragen, ohne von Scheu und Ehrfurcht ergriffen zu werden: „Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“ (Lk 1,43). […]
Warum aber sollte die Trennung in aller Stille geschehen? Um zu verhindern, dass jemand nach der Ursache ihrer Trennung sucht und Erklärungen verlangt. Was hätte dieser Gerechte denn auch […] Leuten antworten sollen, die immer bereit sind, alles zu hinterfragen? Hätte er seine Gedanken offengelegt und gesagt, er sei von der Reinheit seiner Braut überzeugt, dann hätten solche Leute ihn verspottet – und Maria gesteinigt. […] Josef, der weder lügen noch bloßstellen wollte, war also im Recht. […] Der Engel aber sprach zu ihm: „Fürchte dich nicht! Denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist.“
Quelle: Evangelizo