Tagesevangelium

Hl. Hildegard von Bingen

Wenn durch die Kräfte der Seele die Wollust des Fleisches zerstört wird, bilden sich in ihm bald Seufzer nach der himmlischen Heimat, wie durch die Biene in ihrem Stock die Wabe mit dem Honig aufgebaut wird. […] Die Kräfte der Seele sind sehr stark, weil sie durch diese Gott kennt und fühlt, obwohl sie auch den Gelüsten des Fleisches dient. […]

Der Schöpfer des Alls, der die Erde zum Wirken gefestigt hat, hat die Seele, durch die der Mensch all seine Werke tut, nach sich selbst geschaffen. Sie ist für den Menschen, der das Werk Gottes ist und bis zum Jüngsten Tag wirken wird, wie die heilige Gottheit unsichtbar. Aber nach dem Jüngsten Tag, wenn der Mensch ganz geistig geworden ist, wird er die heilige Gottheit und alle reinen Geister und Seelen vollkommen anschauen.

Diese Seele aber ist eine fruchtbringende Kraft, die dadurch, dass sie den ganzen Menschen bewegt, ihn mit sich leben lässt. Und wie der Mensch sich mit aus Fäden gewebtem Tuch umhüllt und bekleidet, so legt die Seele alle Werke, die sie mit dem Menschen wirkt, wie ein Gewand an und wird von ihnen, seien sie gut oder böse, wie vom Leib, in dem sie wohnt, bedeckt. Die guten Werke erscheinen an ihr, wenn sie sich vom Körper getrennt hat, wie ein Gewand im Glanz des reinsten Goldes, das mit allem Schmuck verziert ist, die schlechten Taten aber stinken an ihr wie ein Kleid, das von allem Schmutz befleckt ist.

Quelle: Evangelizo

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