Tagesevangelium

Hl. Jean-Baptiste Marie Vianney

Wir stellen fest, dass der Pharisäer den Zöllner ziemlich leichtfertig für einen Dieb hielt, weil dieser die Steuern einnahm. Ohne es wirklich zu wissen, sagte er, dass der Zöllner mehr verlange, als er soll, und seine Autorität nur dazu benutze, Unrecht zu tun. Dennoch ging dieser angebliche Dieb gerechtfertigt von seinem Platz zu Füßen Gottes weg, und jener Pharisäer, der sich für vollkommen hielt, ging schuldiger nach Hause, als er gekommen war. Das zeigt uns, dass meistens derjenige, der richtet, schuldiger ist als der, der gerichtet wird. […] Aber diese bösen Herzen, diese hochmütigen, eifersüchtigen und missgünstigen Herzen – sind es doch diese drei Laster, die all unsere Urteile hervorbringen, die wir über unsere Nächsten fällen … Wurde etwas gestohlen? Haben wir etwas verloren? Sofort denken wir, dass es vielleicht so einer war, der das getan hat, und wir denken so, ohne den geringsten Beweis dafür zu haben. Ach, meine Brüder, wenn ihr diese Sünde gut kennen würdet, dann würdet ihr begreifen, dass es eine der am meisten zu fürchtenden, am wenigsten bekannten und am schwersten zu korrigierenden Sünden ist. Hört euch diese Herzen an, die von diesem Laster beherrscht sind. Wenn jemand eine Stellung oder ein Amt bekleidet, in dem andere etwas Unrechtes begangen haben, so schließen sie daraus, dass alle, die diese Stellung einnehmen, dasselbe tun, dass sie nicht besser sind als die anderen, dass sie alle Diebe und gerissene Betrüger sind. […] Ach, meine Brüder, wenn wir das Glück hätten, frei von Hochmut und Neid zu sein, würden wir nie jemanden verurteilen, sondern uns damit begnügen, unser eigenes geistliches Elend zu beweinen und für die armen Sünder zu beten, und nichts anderes; in der festen Überzeugung, dass der gute Gott uns nur für unsere Taten zur Rechenschaft ziehen wird und nicht für die der anderen.

Quelle: Evangelizo

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